In diesem Artikel möchten wir dem interessierten Leser einen kleinen Einblick in die Gewitterkunde geben. Die Thematik, dabei vor allem die Tornadoentstehung ist äußerst komplex und bis heute noch nicht durchgehend erforscht. Dieser Text soll daher auf einfache Weise die Grundaspekte genauer beleuchten.
Was sind die Grundzutaten eines Gewitters?
Ein Gewitter benötigt drei grundlegende Dinge für die Entstehung:
Feuchte, Labilität und Hebung.
Was ist das?
Mit Feuchte ist der Wasserdampfgehalt der Luft gemeint. Wenn dieser kondensiert, entstehen Wolken. Ohne Wasserdampf in der Luft kann es also keine Gewitter geben. Für Gewitter ist es günstig, wenn besonders viel Feuchte vorhanden ist. Da warme Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann als kalte, ist der Wasserdampfgehalt umso höher, wenn bei steigender Temperatur die relative Luftfeuchte (%) konstant bleibt.
Labilität bedeutet im Prinzip, dass die Lufttemperatur mit der Höhe stark abnimmt.
Dadurch ist ein aufsteigendes feuchtes Luftpaket immer wärmer und leichter als die Umgebung und kann weiter aufsteigen. Ohne schnell aufsteigende feuchte Luft kann es keine Gewitter geben. Das Gegenteil einer labilen Schichtung der Troposphäre (die unterste Schicht der Atmosphäre, wo wir leben und wo sich fast das gesamte Wettergeschehen abspielt) wäre eine stabile Schichtung. Die ist dann gegeben, wenn die Temperatur mit der Höhe nur sehr schwach abnimmt oder gar zunimmt. Ein angehobenes Luftpaket wäre schwerer als die Umgebungsluft und könnte nicht aufsteigen.
Hebung bezeichnet einen Mechanismus, der dafür sorgt, dass das feuchte Luftpaket am Anfang überhaupt angehoben wird. Selbst wenn die Luft feucht und labil ist, kann es ohne Hebung keine Gewitter geben.
Ein solcher Mechanismus kann ein Gebirge sein, an dem die Luft zum Aufsteigen gezwungen wird. Aber auch intensive Sonneneinstrahlung kann den Boden so stark aufheizen, dass sich eine Art unsichtbare warme Luftblase vom Boden hebt und die feuchte Luft mitreißt. Des Weiteren kann auch eine Front, insbesondere eine Kaltfront, die feuchte Luft anheben, da kalte Luft schwerer als Warme ist und sich beim Voranschreiten unter die davorliegende Luftschicht schiebt. Vor allem im Sommer entstehen Gewitter sehr häufig an sogenannten Konvergenzlinien. Dabei herrscht am Boden über einem großen Gebiet ein Windfeld, in dem die Luft von den Seiten zusammenströmt und dadurch nur nach oben ausweichen kann.
Wie entstehen Auf- und Abwind?
Zunächst wird ein Luftpaket mit feuchter Luft durch einen der genannten Mechanismen angehoben. In der labilen Luft steigt es immer weiter auf, bist die Umgebung so kalt ist, dass der Wasserdampf kondensiert und sich eine Wolke bildet.
Durch die Kondensation wird Wärme freigesetzt (latente Wärme). Somit kann das Luftpaket immer weiter aufsteigen, während von unten weitere feuchte Luft nachströmt (Aufwind). Irgendwann erreicht die Wolke die Grenze zur Stratosphäre, die Tropopause. Dort befindet sich - die Höhe varriiert je nach Jahreszeit und Längengrad von 7 bis 16 km - eine Inversion, die einen weiteren Auftrieb der Gewitterwolke verhindert. Deshalb breitet sie sich entlang dieser Schicht aus und bildet den für Gewitter typischen Amboss.
Aufwind- (rechts) und Abwindbereich (links) eines Gewitters.
Hier oben ist es so kalt, dass die Wolke nur aus Eiskristallen besteht. Im unteren Teil der Wolke befinden sich nur Wassertröpchen, darüber eine Mischung aus Wassertröpfchen und Eiskristallen. Wenn sich viele Wassertröpfchen zusammenfinden, bilden sie einen Regentropfen. Dieser fällt hinunter, wenn er schwer genug ist, dem Aufwindstrom zu widerstehen.
Wird er jedoch weit mit nach oben gerissen kommt es vor, dass die Wassertropfen in Luftschichten unterhalb von 0°C unterkühlt werden. Treffen nun Eiskristalle mit diesen Wassertropfen zusammen, ist die Grundlage für die Hagelbildung geschaffen - schlagartig bilden sich Eiskörner, die solange Auf und Absteigen, bis der Aufwind zu schwach ist sie in der Schwebe zu halten: Es kommt zu Hagel. Schmilzt das Korn allerdings auf seinem Weg nach unten, so kommt er als Platzregen am Boden an.
Beim Fallen verdunstet immer ein Teil der Regentropfen und Hagelkörner - je trockener die Umgebungsluft, desto mehr. Es wird dadurch den umliegenden Luftschichten Wärme entzogen. Da diese Luft nun wieder schwerer ist und durch den fallenden Niederschlag zusätzlich Luft mit nach unten gerissen wird, entstehen die typischen kalten Gewitterböen.
Der Lebenszyklus einer Gewitterzelle lässt sich also dreiteilen:
1. Wachstumsstadium (nur Aufwind)
2. Reifestadium (Auf- und Abwind)
3. Zerfallsstadium (nur Abwind)
Wie entstehen Blitze?
Beim Zusammenprall von Wassertröpfchen und Eiskristallen durch Auf- und Abwind kommt es zu einer Ladungstrennung, wobei sich die negativ geladenen Tröpfchen vorwiegend im unteren und die Positiven vorwiegend im oberen Teil der Gewitterwolke befinden. Dadurch entsteht ein starker elektrischer Potenzialunterschied, der durch den Blitz ausgeglichen wird, wobei die Elektronen aus dem negativen stets zum positiven Teil fließen. Da auch die Erdoberfläche elektrisch geladen ist und somit auch ein Potenzialunterschied zum Boden entsteht, kommt es nicht nur innerhalb der Wolke zu Blitzen (sogenannte CC-Blitze; von engl. Cloud-Cloud), sondern auch zwischen Wolke und Erdboden (sogenannte CG-Blitze; von engl. Cloud-Ground). Diese Blitze sind meist negativ, da sie vom unteren Teil der Wolke Elektronen zum Boden transportieren. Vor allem bei Gewittern mit einem massiven Amboss gibt es einen stark positiven Ladungsschwerpunkt. Dabei kann es zu positiven Blitzen kommen, die aufgrund der großen Strecke, die sie zum Boden überwinden müssen, eine weitaus höhere Spannung aufweisen und daher auch Superblitze genannt werden. Dieser Blitztyp stellt nicht nur wegen seiner größeren Stromstärke die größte Gefahr dar, sondern auch aufgrund der Tatsache dass Einschlagsstellen von bis zu 30 Kilometern außerhalb des Gewitterkerns im Bereich des Möglichen sind.
Welche Arten von Gewittern gibt es?
Gewitter können sowohl nach der Art ihres Hebungsantriebes als auch nach ihrem Organisationsgrad unterschieden werden.
Geht es nach dem Hebungsantrieb so gibt es zwei Arten von Gewittern.
1. Sogenannte Luftmassengewitter entstehen innerhalb einer einheitlichen Luftmasse entweder durch die Hebung an einem Gebirge (orografische Gewitter) oder durch bodennahe Überhitzung (Wärmegewitter). Streng genommen handelt es sich auch bei Kaltluftgewittern, die durch hohe Labilität einströmender Kaltluft in der Höhe entstehen, oder bei Gewittern an einer Konvergenzlinie um Luftmassengewitter.
2. Sogenannte Frontgewitter entstehend entlang einer Frontalzone, meist einer Kaltfront, seltener entlang einer Warm- oder Mischfront (Okklusion).
Diese Unterscheidung sagt jedoch nicht sehr viel über die Stärke und Lebensdauer eines Gewitters aus. Entscheidend dafür ist der Organisationsgrad. Dieser ist umso höher, sobald ein weiterer Faktor zu den bereits genannten drei Faktoren hinzukommt: Vertikale Windscherung.
Das bezeichnet nichts Anderes als eine Änderung von Windrichtung und –stärke mit der Höhe.
1. Einzelzellen: Gehören in der Regel zu den Luftmassengewittern. Der Aufwindturm wächst senkrecht nach oben, sodass Auf- und Abwind sich schnell gegenseitig behindern, was zu einer Abschwächung führt. Diese Gewitter weisen oft eine nur geringe Zuggeschwindigkeit auf. Die Hauptgefahren beschränken sich daher vor allem auf hohe Regenmengen in einer begrenzten Region - Hagel fällt hier meist klein aus, da der schwache Aufwind keine größeren Körner halten kann. Die Lebensdauer beträgt in der Regel nur eine halbe Stunde. Insbesondere der häufig gebrauchte Begriff "Hitzegewitter" ist diesem Typ zuzuordnen.
2. a) Multizellencluster: Bei hoher Labilität können mehrere Einzelzellen einen sog. Cluster bilden, der durch seine Aufteilung in Zellen unterschiedlicher Entwicklungsstadien einen höheren Organisationsgrad aufweist.
Dieser Typ bringt häufig ergiebigen Regen mit sich und kann mehr als eine Stunde andauern.
b) Multizellenlinien: Bei Windzunahme mit der Höhe und hoher Labilität wachsen die Aufwinde der Zellen eher leicht gekippt, sodass Abwinde vom Aufwind getrennt sind und diesen nicht behindern. Insbesondere bei Fronten und Konvergenzlinien ordnen sich die Zellen dann linienhaft an und können in diesem Verband mehrere Stunden bestehen. Durch die Trennung von Auf- und Abwind können beide erhebliche Stärken erreichen, sodass bei dieser Art Gewitter nicht nur mit Starkregen, sondern auch mit Sturmböen und Hagel gerechnet werden muss.
c) Mesoskalige konvektive Systeme (MCS): Mit diesem Typ werden Multizellen bezeichnet, die eine große räumliche Ausdehnung und hohe Lebensdauer haben. Sie zeichnen sich durch einen Kaltluftbereich auf der Rückseite, wo meist mäßiger Niederschlag fällt und einen konvektiven Bereich an der Vorderseite, der nicht selten durch Sturmböen und Starkregen gekennzeichnet ist, aus.
Es gibt noch weitere spezifische Arten von Multizellen, auf die hier aber nicht weiter eingegangen werden soll.
3. Superzellen: Hierbei handelt es sich meist um Einzelzellen, sie können aber auch in Gewitterlinien eingelagert sein. Sie besitzen von allen Zelltypen den höchsten Organisationsgrad, da eine mäßige bis starke Windscherung für ihre Entstehung erforderlich ist. Nimmt der Wind mit der Höhe stark zu, so führt dies nicht nur zu einem „schiefen“ Aufwind, was wiederum für eine Trennung von Auf- und Abwind sorgt, sondern es entstehen in der Luft ebenfalls unsichtbare horizontale Walzen.
Dadurch wird die Rotation schneller und der Aufwind erreicht Stärken, wie sie kein anderer Gewittertyp bieten kann. Hierdurch können Hagelkörner lange oben gehalten werden und durchwandern unter stetigem Wachstum den Aufwind so oft bis sie schwer genug sind um herab zu fallen. Unter gewissen Umständen kann die Rotation einen Tornado hervorbringen. Deswegen ist die Superzelle auch als der gefährlichste Typ von Gewittern anzusehen.
Die Begleiterscheinungen reichen von Starkregen bis hin zu schweren Orkanböen und großem Hagel sowie Tornados. Wenngleich Tornados auch an anderen konvektiven Wolken entstehen können, so geht die Gefahr starker und verheerender Tornados fast ausschließlich von Superzellen aus.